Meine Großeltern haben meine Kindheit geprägt. Oft war ich bei Ihnen zu Besuch, in der eher kleinen 2 Zimmerwohnung mit Balkon zur Straße in der Münchener Straße. Meine Oma war eine wunderbare Köchin, sie brachte mir das Krabben pulen bei. Mein Opa arbeitete bei der AG Weser als Technischer Zeichner. Seine Liebe zur See und zur unbegrenzten Freiheit hat er nie verloren. Diese hatte ihn in den 20er Jahren als Heizer hinaus auf die Weltmeere getragen, er brachte meiner Oma dann Geschenke aus Übersee mit.
Als ich klein war zeigte mein Opa mir Bremen, er kletterte 100 Meter mit mir auf den Dom, setzte mich auf Poller im Hafen und spazierte mit mir viele Male durch den Bürgerpark. Wir brachten es fertig, so ruhig auf einer Bank zu sitzen, dass wir nach einer Weile oft die Eichhörnchen aus der Hand füttern konnten...
Statt seiner Leidenschaft der Malerei nachzugehen schrieb er Geschichten für mich, die er mir vorlas...
Den Krieg verbrachte meine Oma mit meinem Vater im Bunker, mein Opa an der Front. In seinen Tagebüchern war zu lesen, dass er diese Pflicht hasste. Und danach bauten sich die beiden ein bescheidenes Leben in Bremen auf. Gerne würde ich heute mit Ihnen sprechen und ihnen viele Fragen über die Vergangenheit stellen. Ich habe solchen Respekt vor ihrer Leistung.
Warum schreibe ich hier über sie? Ich möchte, dass ihre und die Leistung all der anderen Menschen nach dem Krieg für unsere Stadt und unser Land erhalten bleiben. Ich möchte, dass die nachfolgenden Generationen, zu denen ich gehöre, ihre Vorfahren und deren Erbe würdigen. Ich beobachte, dass unsere Stadt und unser Land in einem merkwürdigen langsamen Abbau sind, der sich in der letzten Zeit allerdings rasant beschleunigt hat. Keine der Einrichtungen der Infrastruktur, sei es die BSAG, sei es die Bahn, seien es die Schulen, seien es die Brücken und Fahrradwege, seien es die Deiche, werden genügend gepflegt, ausgebaut und erhalten.
Viele Arbeitnehmer kommen mit den Löhnen, die sie verdienen, nicht mehr zurecht. Die Armut in den Städten nimmt erschreckend zu, die Obdachlosen in den Straßen haben im Winter Angst zu erfrieren. Rentner sammeln zu Hunderttausenden Flaschen aus dem Müll um zu überleben und sollen das bisschen Einkommen daraus nun versteuern. Kinder und Jugendliche lernen laut Pisa Studien nicht mehr wirklich etwas in den Klassenzimmern. Wir haben eine Wohnungsnot wie selten zuvor. Krankenhäuser, Apotheken und Arztpraxen schlagen Alarm.
Die Preisinflation für notwendige Energie und für Lebensmittel steigt in schwindelnde Höhen.
Die Bauern gehen nun auf die Straßen um anzuzeigen, dass ihnen das Nötigste zum Überleben genommen wird. Wovon soll die Bevölkerung leben, wenn die Bauern aufgeben? Viele haben das schon getan.
Ich möchte in einer Stadt und in einem Land leben, das ohne Existenzangst ist. In einer Gesellschaft, die für ihre Mitglieder Verantwortung übernimmt, die bereit ist, mit allen Mitbürgern in einen Dialog zu treten, alle Bedürfnisse ernst nimmt. Es ist klar, dass nicht jeder Mensch immer bekommen kann, was er sich wünscht. Aber eine grundlegende Gerechtigkeit erwarte ich. Nachvollziehbare Regeln und Entscheidungen der Verantwortlichen. Ein Bemühen, allen Interessen und gesellschaftlichen Gruppen und Meinungen zuzuhören ohne diese vorab zu verdammen.
Ich erwarte eine Gesellschaft der Pluralität in einem guten Sinn: das Gespräch am runden Tisch, Entscheidungen, die allen Bürgern des Landes nützen, nicht nur einzelnen Gruppen. Ich erwarte, dass Kritik ernst genommen wird und in Handeln mündet.
Insofern unterstütze ich die Bauern und alle streikenden und demonstrierenden Arbeitnehmer und Unternehmen in ihren Anliegen. Ich bin am Montag in der Innenstadt um zu zeigen, dass ich mir ein Leben in Würde und mit Freude an der Arbeit für alle wünsche, die in unserem Land Steuern zahlen und es damit tragen.